Der letzte Weg der Hedwig Reiling und Anna Seghers' „Requiem“ auf die Vernichtung der Juden in der Erzählung „Post ins gelobte Land“
Historischer Vortrag und literaturhistorische Einführung von Hans Berkessel mit anschließender Lesung aus der Erzählung "Post ins gelobte Land" von Anna Seghers durch die Mainzer Staatsschauspielerin Gaby Reichardt mit musikalischen Improvisationen von Winfried Späth
Dienstag, 5. April 2016, 18.00 Uhr
Mainz, Drusus-Saal, Zitadelle (Gebäude E)
Hedwig Reiling (1880 – 1942) stammte aus der angesehenen jüdischen Frankfurter Kaufmannsfamilie Fuld. Sie heiratete Isidor Reiling, den Juniorpartner des erfolgreichen Antiquitätengeschäftes David Reiling, der dieses zusammen mit seinem Bruder Hermann in der Flachsmarktstraße betrieb.
Mit der Machtübernahme des NS-Regimes begann auch für die Reilings eine Zeit der Diskriminierung und Verfolgung. Nach dem Novemberpogrom vom 9./10.11.1938 wurden auch sie in einem der so genannten „Judenhäuser“ in der Taunusstraße 31 auf engstem Raum zusammengepfercht.
Am 10. März 1940, zwei Tage nach der Zwangsarisierung seines Geschäftes, starb Isidor Reiling an den Folgen eines Schlaganfalls. So musste er den entwürdigenden Abtransport seiner Frau Hedwig am 20. März 1942 nicht mehr miterleben. Zusammen mit 450 weiteren Mainzer Juden wurde sie in das Lager Piaski bei Lublin deportiert. Am 30. März 1942 traf Hedwig Reiling dort ein, wo sich ihre Spur ohne ein weiteres Lebenszeichen verliert.
In ihrer Erzählung Post ins gelobte Land, die um 1944 in mexikanischen Exil entstanden ist, erzählt Anna Seghers die Geschichte des Juden Jakob Levi, der vor dem Ersten Weltkrieg als erfolgreicher Augenarzt in Paris praktizierte. Sein Vater Jonathan, der ein russisches Judenpogrom überlebt hatte und nach langer Odyssee glücklich in Paris bei einem Bruder aufgenommen worden war, hatte nur einen Wunsch: ins gelobte Land zu reisen und seinen Lebensabend in einem Jerusalemer Altenheim zu verbringen. Vor der Abreise nahm er seinem Sohn das Versprechen ab, ihm regelmäßig zu schreiben und vom Leben der Familie in Paris zu berichten …
Veranstaltende: Kulturamt der Landeshauptstadt Mainz in Kooperation mit dem Verein für Sozialgeschichte Mainz e. V. und der Anna-Seghers-Gesellschaft Berlin und Mainz e. V.