Kleiner Überblick über die Vereinsgeschichte

Vorgeschichte
Einen wichtigen Anstoß gibt vielerorts der bevorstehende 50. Jahrestag der so genannten „Machtergreifung“, der Anlass zu etlichen lokalgeschichtlichen Ausstellungen und Projekten ist. Es ist die Zeit der Entstehung von „Geschichtswerkstätten“ und der Neuentdeckung der Methode der „Oral History“. Die Uni Bremen (Jörg Wollenberg) stellt bei einem Seminar in Salecina in der Schweiz (Theo Pinkus), an dem Hedwig Brüchert teilnimmt, ein Zeitzeugenprojekt mit Veteranen aus der Arbeiterbewegung vor, die zu ihren Erfahrungen mit der Weltwirtschaftskrise und der erstarkenden nationalsozialistischen Bewegung befragt wurden. Auch an anderen Universitäten werden große Zeitzeugenprojekte durchgeführt, z. B. von Lutz Niethammer u. a. (Gesamthochschule Essen) zum Thema: Bergarbeiter im Ruhrgebiet und die NS-Zeit, oder an der Uni Konstanz (Gert Zang) zur Lebenswelt der „kleinen Leute“ der Bodenseeregion.

An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz fehlen solche Themen und Forschungsansätze. Die Zeit des Nationalsozialismus ist auf lokaler Ebene noch weitgehend unerforscht. Aus der Unzufriedenheit mit dem fehlenden Lehrangebot und dem Wunsch heraus, auch für Mainz diese Themen aufzuarbeiten und die noch lebenden Zeitzeugen als wichtige Geschichtsquellen zu nutzen, entwickelt sich in Gesprächen zwischen Hans Berkessel und Hedwig Brüchert die Idee zur Gründung einer privaten Arbeitsgruppe.

Gemeinsam mit einigen weiteren Interessierten aus ihrem Umfeld aus dem Bereich Uni, Gewerkschaften und SPD (einige davon haben sich bereits früher mit der Geschichte der Mainzer Arbeiterbewegung beschäftigt und an der städtischen Ausstellung „Mainz und die Soziale Frage im 19. Jahrhundert“ mitgearbeitet) rufen sie ein Oral-History-Projekt ins Leben. Erste Arbeitstreffen findet im Winter 1982/83 statt, es wird eine Exkursion nach Bremen zu einer Ausstellung über die „Machtergreifung“ in Bremen unternommen. Für Mainz wird ein Interview-Leitfaden entwickelt, und es werden erste lebensgeschichtliche Interviews durchgeführt mit alten Mainzerinnen und Mainzern aus der Arbeiterbewegung, die noch die Jahre der Weimarer Republik sowie die Übernahme der Macht durch die Nationalsozialisten miterlebt und darunter gelitten haben.

1983
Die Arbeitsgruppe beschließt, einen Geschichtsverein zu gründen, um eine kontinuierliche Arbeit zu gewährleisten und einen organisatorischen Rahmen für das Projekt zu schaffen. Als Ziel des Vereins wird in der Satzung festgelegt, die Sozialgeschichte und die Geschichte der demokratischen Traditionen von Mainz und Umgebung im 19. und 20. Jahrhundert einschließlich der NS-Zeit und der Geschichte der Mainzer Arbeiterbewegung zu erforschen und zu dokumentieren. Die Gründung des Vereins erfolgt am 2. September 1983 im Kellerraum des GEW-Lehrerzentrums in der Frauenlobstraße durch neun Personen:
Hans Berkessel, Hanno Broo, Hedwig Brüchert, Peter Dumno, Karlheinz Lipp, Bruno Lowitsch, Claus Scharf, Rainer Wahl und Klaus Woede. Zu den Aktiven der ersten Stunde zählen außerdem Dieter Ertl, Josef Heinzelmann und Michael-Peter Werlein. Hedwig Brüchert wird zur Vorsitzenden gewählt, Hans Berkessel zum stellvertretenden Vorsitzenden, Klaus Woede zum Kassierer, Claus Scharf und Michael-Peter Werlein zu Beisitzern.

1983 gründet sich auch die Geschichtswerkstatt e.V. als bundesweiter Dachverband der lokalen Geschichtswerkstätten, dem wir bald beitreten. In den folgenden Jahren findet alljährlich ein großes „Geschichtsfest“, jedesmal in einer anderen Stadt, statt, das dem Erfahrungsaustausch unter den Lokalgeschichtsinitiativen dient, so 1984 in Berlin, 1985 in Hamburg, .... in Singen/Bodensee. Die Mitglieder der Geschichtswerkstätten werden anfangs als „Barfuß-Historiker“ belächelt.

1984
Heft 1 der Mainzer Geschichtsblätter erscheint. Wir führen zahlreiche Interviews mit älteren Menschen aus der Mainzer Arbeiterbewegung.

1985
Kulturdezernent Dr. Anton M. Keim bittet uns, an der Ausstellung „Leben in den Trümmern - Mainz 1945-1948“ und am Begleitband zur Ausstellung mitzuwirken. Seitdem gibt es eine regelmäßige Zusammenarbeit zwischen unserem Verein und der Stadt Mainz bei einer Reihe von Geschichts- und Ausstellungsprojekten.

1988
Wir erarbeiten die Rathaus-Ausstellung „Als die letzten Hoffnungen verbrannten. 9./10. November 1938. Mainzer Juden zwischen Integration und Vernichtung“ und geben unter gleichem Titel ein Begleitbuch im Verlag H.Schmidt Mainz heraus. Seitdem umfangreiche Korrespondenz und lebensgeschichtliche Interviews mit überlebenden Mainzer Juden in aller Welt.

1990
Herausgabe des Stadtführers „Mainz/Wiesbaden zu Fuß“ im VSA-Verlag.

1991
Auf Anregung des Vereins lädt die Stadt Mainz zur ersten „Begegnungswoche Mainzer Juden“ ein. Es folgen fünf weitere Begegnungswochen, unter Mitwirkung unseres Vereins bei Vorbereitung, Programmgestaltung und Betreuung der Gäste. Während der Begegnungswochen führen wir zahlreiche Einzelinterviews mit Gästen und zeichnen ihre Lebensgeschichten auf Tonband auf.

1993
10-jähriges Bestehen unseres Vereins und der bundesweiten Geschichtswerkstatt e.V. Aus diesem Anlass laden wir die Vertreter aller Geschichtswerkstätten zu einer zweitägigen Tagung nach Mainz ins Neustadtzentrum ein.

1995
Aktion zum Gedenken an den 50. Jahrestag der Zerstörung von Mainz am 27. Februar 1945, Bild- und Text-Installationen an verschiedenen Stellen der Stadt.

1996
Auf Initiative unseres Vereins wird der „Förderverein Stadthistorisches Museum Mainz“ ins Leben gerufen.

Seit 1996
Organisation von mehreren Wechselausstellungen mit Begleitprogramm zu Gedenktagen in Zusammenarbeit mit dem Kulturdezernat der Stadt Mainz

1998
Gestaltung eines umfangreichen Begleitprogramms zur Ausstellung „Von Blau-Weiß-Rot zu Schwarz-Rot-Gold“ anlässlich der 150. Wiederkehr der Revolution von 1848

1999
Vorbereitung der Ausstellung “Kriegsbilder“ im Mainzer Rathaus mit Begleitbuch

Seit 2001
Mitwirkung am alljährlichen Programm des Landtags Rheinland-Pfalz zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar

2005
Mitwirkung mit lokalen Exponaten und Texttafeln an der Ausstellung „Verfolgung und Verwaltung. Enteignung und Rückerstattung jüdischen Vermögens im Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz 1938-1953“ des Landeshauptarchivs Koblenz im Mainzer Rathaus März 2005.
Mitorganisation und Dokumentation „Die Gegenwart der Vergangenheit“ zum 60. Jahrestag des Kriegsendes und der Zerstörung von Mainz

2007
Teilausstellung „Mainz nach 1945“ im Landesmuseum Mainz anlässlich des Jubiläums „60 Jahre Rheinland-Pfalz“

Seit 2007
Projekt „Datenbank Mainzer Juden“ in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Mainz und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V.

2011

Die langjährige Erste Vorsitzende und Vereinsmitbegründerin Dr. Hedwig Brüchert scheidet regulär aus dem Amt und kündigt an, sich nicht wieder zur Wahl zu stellen. In Anerkennung Ihres herausragenden Engagements für den Verein wird sie von der Mitgliederversammlung zur Ehrenvorsitzenden gewählt. Dr. Markus Würz wird zum Ersten Vorsitzenden gewählt.

2011

Die Website www.stolpersteine-mainz.de wird eingerichtet.

2012

Das Sonderheft „Der neue Jüdische Friedhof in Mainz“wird publiziert.

2013

Nach einer regulären Amtszeit kann Dr. Markus Würz aus beruflichen Gründen nicht mehr für das Amt des Ersten Vorsitzenden kandidieren. Die Mitgliederversammlung wählt Dominik Kasper zum neuen Ersten Vorsitzenden.

2014

Heft 15 der Mainzer Geschichtsblätter erscheint.

1984––2014
zahlreiche „Mainzer Geschichtsabende“ und andere Veranstaltungen sowie Exkursionen

1984––2014
Herausgabe von 15 Heften der „Mainzer Geschichtsblätter“ und neun Sonderheften der „Mainzer Geschichtsblätter“ im Eigenverlag sowie drei Büchern gemeinsam mit weiteren Herausgebern in anderen Verlagen

2002––2014
regelmäßige Stadtführungen „Auf den Spuren des Nationalsozialismus durch Mainz“ und andere Themen

2020 

Über eine gemeinsame Stolperstein-Website sind Biografien sowie historische Aufnahmen, Quellen und Dokumente abrufbar, die sich hinter den Mainzer Stolpersteinen verbergen. Auch über Instagram und Twitter werden wir gemeinsam mit dem HdE die Erinnerungskultur im digitalen Raum stärken.

2021 

Herausgabe der Publikation "Blickpunkt Schule"